Reisebericht: Gaienhofen (H.Hesse) / Mammern vom 23. August 2015

Geschichte und Genuss am Untersee

Reiste im letzten Jahr der Kirchenchor Elgg 2 Tage nach Frankreich, ging es auch dieses

Mal ins europäische Ausland mit kulturellen Meilensteinen: Im deutschen Gaienhofen am

Untersee besuchten die Sänger das Hermann Hesse Haus und das Ortsmuseum Höri-Haus

um sich anschliessend am Schweizer Ufer kulinarisch verwöhnen zu lassen.

Am Sonntag 23. August früh wurden die Chorsänger vom beschaulichsten aller öffentlichen Verkehrsmittel

der Gemeinde, dem Postauto, mehr oder weniger vor der Haustür, an der nächsten

Haltestelle abgeholt. Im morgendlichen Sonnenlicht zog die malerische, bekannte Hügellandschaft

an den Reisenden vorbei auf der ersten Etappe über Hofstetten, Schlatt, Wallenstein nach Oberwinterthur.

Etwas abrupt wachten viele aus der Beschaulichkeit auf und stürmten aus dem Bus hinaus und

gleich wieder herein, denn es war eine Station zu früh – vor dem Bahnhof Oberwinterthur. Da nun

alle wach und präsent waren, blieb beim Umsteigen in den Zug niemand zurück, wir bestiegen den

Zug nach Stein am Rhein. Wiederum konnten wir die Sonntagmorgenidylle auf uns wirken lassen,

selbst wenn für kurze Zeit erstmals Wolken und Dunst andeuteten, dass sie auch ihren Anteil am

Tagesprogramm nehmen wollten.

In Stein am Rhein bestieg die Reisegesellschaft nach kurzem Fussmarsch am Fuss des Städtchen

das Schiff, welches zur sonnigen Fahrt nach Gaienhofen, einem Ort am deutschen Ufer des Untersee

einlud. Sonne, Kaffee und Gipfeli an Bord taten das Ihrige dazu, dass letzte müde Geister

verscheucht wurden und allenthalben angeregte Unterhaltung zu hören war. So an Leib und Geist

aufgewärmt, erfuhren wir in Gaienhofen von kundigen einheimischen Führern manches über das

Leben von deutschen Kulturschaffenden, die einen Teil ihres Lebens deutschen Ufer des Untersee

verbracht haben.

Zunächst über Hermann Hesse in dessen Haus, in welches er 1904 aus Basel nach Gaienhofen

gezogen war. Dieser Umzug war in gewisser Weise eine Flucht eines jungen Ehepaars, hat Hesse

doch gegen den Willen ihrer Familie, aber ihrer beider Liebe folgend Maria Bernoulli geheiratet.

Sie war aus betuchtem Elternhaus, wo ein Dichter nicht gern gesehen war. Hesse hatte in den

Jahren am Bodensee erste grosse Erfolge als Dichter, die Familie erhielt 3 fachen Nachwuchs –

Grund genug, dass der Kontakt zur Familie seiner Ehefrau sich normalisierte.

Es seien wohl die sesshaftesten Jahre von Hesse gewesen, schilderte die Führerin in launigem,

alemannischen Dialekt. Die schlichte Frage „Bin ich glücklich?“ hätte den Dichter nach 7 Jahren

aufbrechen lassen aus der bürgerlichen Behaglichkeit seiner jungen Familie 1911 auf eine Reise

nach Indien – seinem Wesen als Suchender folgend, als solcher Hesse wie manch anderer Dichter

und Künstler galt und gilt.

Im Höri-Haus, dem Ortsmuseum von Gaienhofen, wurden uns die Lebensgeschichten von verschiedenen

Dichtern und Malern geschildert, die zwischen 1933 und 1945, sprichwörtlich Zuflucht

und Brot fanden in der Gegend vor der Verfolgung der Nazis, die deren Bücher verbrannten und

verboten und die Bilder als „entartete Kunst“ taxierten. Die lokale Bevölkerung stand den

Kunschaffenden bei, sie konnten der Verfolgung der Nazis entgehen. Beispielhaft ist von einem

Maler überliefert, dass er für einen Sack Kartoffeln Porträts von Menschen aus den Dörfern malte.

Ein anderer Künstler malte auf Anraten eines Dorfbewohners ein „schönes Bild“, welches die

braune Obrigkeit, welche mal wieder aus der nahen Stadt Radolfzell anrückte, davon abhielt, ihn

weiter zu verfolgen weil der ja „doch malen könne“.

Die eindrücklich geschilderten Zeugnisse von Kulturgeschichte aus der ersten Hälfte des letzten

Jahrhunderts konnten wir bei Bier oder Eis im schmucken Dorf oder am See setzen lassen.

Ein Schiff wiederum brachte uns von Gaienhofen über den See nach Mammern. Dort konnten wir

in einem Garten am See verweilen und einen reichhaltigen Apéro, ein Buffett mit Salaten, Grilladen

(geliefert von einer bekannten Elgger Metzgerei) genissen. Dessert und Wein wurden uns von

Chormitgliedern gesponsert – an dieser Stelle herzlichen Dank den Spendern.

Der behagliche Aufenthalt am See wurde kurzzeitig unterbrochen von einem kleinen Regenguss,

die der zunehmend graue Himmel von sich gab. Vom Regen unbeeindruckt liessen sich einige

Sänger aber nicht entmutigen, nachher erst recht in den See schwimmen zu gehen. Der graue

Himmel unterliess es denn auch, von den Schwimmern beeindruckt, uns Ausflügler weiter zu begiessen.

Immerhin führte uns ein rund 1-stündige Verdauungsmarsch zurück nach Stein am Rhein.

Zug und Bus brachten uns zurück nach Elgg, bereichert um einen schönen Tag. Beschert hat uns

diesen gemütlichen Tag unser Vorstandsmitglied Emil Zehnder, der den Ausflug mit grossem Engagement

organisiert hat und viele gute Geister aus seiner Familie und dem Chor bewegen konnte,

zum Gelingen beizutragen. Herzlichen Dank!

Markus Rohner