Jubiläumsschrift 75 Jahre Kirchenchor Elgg

Jubiläumsschrift

75 Jahre reformierter Kirchenchor Elgg

1916 – 1991

(zusammengesucht, geschrieben und zusammengestellt von Sylvia Ziegler)

1991, im Jahr, da die Eidgenossenschaft ihr 700-jähriges Bestehen feiern kann, darf auch der Kirchenchor Elgg ein stolzes Jubiläum begehen. 75 Jahre sind es nämlich her seit seiner Gründung. Am Sonntag, 24. September 1916 versammelten sich 35 sangesfreudige Männer und Frauen in der Kirche, um einen Kirchenchor zu gründen.

Dieses Ereignis ist umso bemerkenswerter, als sich Europa zu jener Zeit mitten in einem Krieg befand, die Menschen also nicht unbedingt einen Grund zum Singen und Jubilieren hatten! Dennoch konnte am 08. Oktober die konstituierende Versammlung in Anwesenheit von 53 Personen stattfinden, und schon am Montag, 16. Oktober traf man sich in der Turnhalle des Oberstufenschulhauses zur ersten Probe.

Als Dirigent wirkte Lehrer Karl Miethlich, der dann auch jahrelang das Szepter bzw. den Dirigentenstab führte. In der Turnhalle gab es allerdings keine Sitzgelegenheiten, un im Winter war sie kalt und ungeheizt. So brauchte es doch eine gehörige Portion Idealismus und grosse Freude am Gesang, eine Probe von ein bis zwei Stunden buchstäblich durchzustehen.
Die ersten Auftritte waren dann aber gleich ein Erfolg. Man sang am Weihnachtstag, 25. Dezember beim Morgengottesdienst und am 26. Dezember an der Christbaumfeier der Sonntagsschule je 2 Lieder.

Von Anfang an standen auch die Finanzen des jungen Vereins immer wieder im Vordergrund. So gab es schon bald nach der Gründung Diskussionen, ob man wohl einen einmaligen Sonderbeitrag der Mitglieder von Fr. 1.00 erheben dürfte. Ein Gesuch um Unterstützung an die Kirchenpflege wurde grosszügigerweise genehmigt und mit einem einmaligen Beitrag von Fr. 100.00 (im Jahre 1917 in 2 Raten zu zahlen) beantwortet.

An der 1. Generalversammlung vom 2. März 1918 konnte man auf einen gelungenen Start des jungen Vereins zurückblicken. Leider mussten die Proben dann vom 15. Juli bis Ende 1918 ausfallen wegen der grassierenden Grippe.
Da die Winter zu jener Zeit noch lang und kalt waren, froren die Sänger manchmal gewaltig in der ungeheizten Turnhalle und so wandte man sich an die Schulpflege mit der Bitte, die Turnhalle doch trotz Kohlemangel wieder zu heizen. Ob dieser Bitte Gehör geschenkt wurde oder ob die Sänger weiter schlottern mussten, fand sich nirgends in den Protokollen!

Schon im Jahre 1925 und dann immer wieder hiess es in den Protokollen: „Männerstimmen schwach besetzt!“ So wurde denn eifrig geworben, manchmal auch ganz direkt, indem man potentielle Sängerinnen und Sänger zu Hause aufsuchte und sie bei einem Glas Wein überredete, doch im Verein mitzusingen.
Stets wurde aber nicht nur gearbeitet und geprobt, es wurde auch die Unterhaltung im Verein stark gepflegt. So machte man denn jedes Jahr einen Ausflug, und sei es nur eine Wanderung auf die Kyburg, da in der Reisekasse wieder einmal Ebbe herrschte. Doch gab es auch schon dazumal zweitägige Reisen ins Tessin mit übernachten in einem Gasthaus! Von vielen fröhlichen Stunden zeugen all die unterhaltsam geschriebenen Reiseberichte oder die seitenlangen Gedichte. Besonders hervorgetan in dieser Sparte hat sich als Gründungsmitglied und nachmalige langjährige Aktuarin Amalie Spiller. Ihre Berichte sind wirklich eine Genuss und vermitteln uns einen guten Einblick ins Vereinsleben jener Zeit.

Einen grossen Platz nahm schon fast von Anfang an die alljährliche Theateraufführung des Kirchenchors ein. In den ersten Jahren fand die Aufführung im Rahmen der Generalversammlung statt. Aber schon im Jahre 1923 wurde ein separater Unterhaltungsabend mit abendfüllendem Programm, bestehend aus Theater, Gesang und Tanz, durchgeführt. Selten ging man vor 4 Uhr morgens heim! Sogar im Krisenjahr 1932 wurde eine Abendunterhaltung geplant mit der Begründung „man sei dies den Passivmitgliedern“ schuldig. Im Jahre 1934 musste das Theater gar zweimal aufgeführt werden, so gross war der Publikumsandrang. 21936 beschloss man dann jedoch, wegen der Krisenzeit das Theater nur noch alle 2 Jahre aufzuführen. Regelmässig fanden nun diese Unterhaltungsabende zur Lust und Freude der ganzen Bevölkerung statt.

Das letzte durch den Kirchenchor aufgeführte Theater ging im Herbst 1969 unter der Regie von Hans Pfaff über die Bühne. Warum man nachher von dieser Tradition abliess, steht nicht in den Berichten. Wahrscheinlich fand man, mit dem Aufkommen des Fernsehers in den Familien bestehe das Bedürfnis nach Laientheater nicht mehr.

Umso erfreulicher ist es, dass der  Verein dieses Jahr zum 75-jährigen Bestehen wieder ein Theaterstück gewagt hat, das mit grossem Erfolg im zweimal vollbesetzten Werkgebäude aufgeführt wurde. Wer weiss, vielleicht wird dies wieder zur Tradition!?

Nicht vergessen ob all dieser Lustbarkeiten wurde aber der eigentliche Zweck des Vereins, das Singen. Schon im Jahr 1919 hiess es im Protokoll: „Besonders viel Freude scheint am Bettag den Kirchenbesuchern das achtstimmige Lied „Gebet fürs Vaterland“ bereitet zu haben, das ziemlich grosse Anforderungen an den Chor stellte. Das wird vielleicht unserem Verein eine Aufmunterung sein, sich hie und da an etwas Schwereres zu wagen und später einmal einen weiteren Kreis von Gesangsfreunden mit einem Kirchenkonzert zu erfreuen!“

Es wurden dazumal 51 Gesangsproben im Jahr abgehalten, was von grossem Einsatz zeugt. Schon bald wurde der Chor von der Kirchenpflege angefragt, an einem liturgischen Gottesdienst mitzuwirken. Auch kleinere Konzerte im Rahmen von kirchlichen Feiern wurden abgehalten. Jedoch lehnte es der Verein im Jahre 1925 ab, an der Fahnenweihe des Sängerbundes mitzuwirken, sei es doch nicht im Sinne eines Kirchenchors, auf öffentlicher Bühne aufzutreten. Dies wurde bis in die heutige Zeit so gehalten, obwohl der Rahmen nicht mehr so eng gesteckt ist. Erinnern wir uns doch an den Kirchgemeindeabend vor 4 Jahren oder an die Serenade zusammen mit ein paar jungen Elgger Instrumentalisten. Hier konnte der Kirchenchor zeigen, dass er auch weltlichen Liedern durchaus gewachsen ist und es nicht unter seiner Würde findet, einmal ein paar Lumpenliedchen zum besten zu geben.

Ganz allgemein kann man sagen, dass das Programm in den letzten Jahren und Jahrzehnten vielfältiger geworden ist. Im Trend der Öffnung der Kirche musste sich auch der Kirchenchor etwas einfallen lassen. Ich glaube, dies ist ihm in Zusammenarbeit mit Pfarrherren und Kirchenpflege vorzüglich gelungen. Ein besonderer Höhepunkt, gerade im Zeichen der Oekumene, war das grosse Konzert vom Januar 1982 zusammen mit dem katholischen Kirchenchor. Der Erlös dieses Anlasses wurde zur Anschaffung einer Orgel in der neuerbauten katholischen Kirche verwendet.
In den letzten Jahren hatte sich das musikalische Interesse in der Bevölkerung wieder vermehrt geregt, so dass häufiger Konzerte, Serenaden oder liturgische Gottesdienste gewünscht wurden. Diesem Bedürfnis kam der Kirchenchor denn auch mit Freuden entgegen. So sangen wir zum Beispiel auch einmal mit dem Singkreis Töss oder mit dem Chor der Kantonsschule Winterthur zusammen, was immer grossen Spass machte.

Einen grossen Anteil an der Stimmung im Chor hat aber immer auch der Dirigent. Viel gewonnen, auch in gesanglicher Hinsicht, hatte der Kirchenchor unter der langjährigen Leitung von Ella Renfer-Weise. Sie setzte sich von Anfang an für die Durchführung von anspruchsvollen Konzerten ein. Diese Tradition wurde dann auch von ihrem Nachfolger, Hans Hoerni, fortgeführt. Mit der Wahl von Roland Niderberger im Jahr 1984 hatte der Chor wieder grosses Glück, ist er doch jung, dynamisch und bringt frischen Wind und neue Ideen. Auch die Zusammenarbeit mit der Kirchenpflege und den Pfarrherren ist optimal. Dass dies alles nicht selbstverständlich ist, habe ich in vielen früheren Protokollen lesen können:

Interne Unstimmigkeiten
Im Jahr 1922 warf der Präsident die Frage auf, ob der Kirchenchor nicht in einen gemischten Chor umzuwandeln sei. Er tat dies aber anscheinend sehr undiplomatisch und auf eine Art und Weise, die Vorstand und CHormitgliedermissbilligten. Die Meinungsverschiedenheiten gingen dann so weit, dass der Vorstand den Präsidenten per eingeschriebenen Brief aufforderte, „den Gesangsstunden künftig fernzubleiben“ und ihm Gelegenheit boten, den Austritt zu erklären! Harte Sitten waren das damals. Ein halbes Jahr später gärte es anscheinend immer noch im Verein, denn im Protokoll wurde vermerkt „die Angelegenheit werde nun endgültig begraben und der Austritt des Präsidenten samt unterschriebenen Anhängern akzeptiert.“
Mit den Präsidenten hatte man früher ab und zu Mühe. So nahm im Jahr 1927 der Präsident sein Amt nur an, wenn keine Solostimmen mehr gesungen würden. Das führe nur zu Unstimmigkeiten. Anscheinend wollten zu jener Zeit alle Sänger eine Solopartie singen!

Dass die Sängerinnen und Sänger dem Verein die Treue halten, manchmal ein ganzes Leben lang, beweist das älteste Mitglied des Kirchenchors. Es ist dies Heiri Weilenmann aus Dickbuch, der sein 1918(!) dem Chor angehört. Er nimmt als Ehrenmitglied immer noch regen Anteil am Geschehen im Verein und lässt es sich nicht nehmen, alljährlich die Generalversammlung zu besuchen.

Nicht zuletzt hängt aber die Kontinuität eines Vereins immer auch vom Präsidenten ab. Gerade damit hatte der Kirchenchor in den letzten 40 Jahren grosses Glück, fanden sich doch immer wieder bewährte Kräfte, die das Schifflein des Chors mit starker Hand sicher durch alle Wellen steuerten.

Dirigenten
1916 – 1935  Karl Miethlich
1935 – 1940  Fritz Kägi
1940 – 1947  Paul Schenkel (und andere)
1947 – 1953  Lilly Fromaigeat
1954 – 1974  Ella Renfer-Weise
1974 – 1984  Hans Hoerni
1984              Roland Niderberger

Präsidenten seit 1950
1950 – 1962  Werner Beuggert
1962 – 1975  Ernst Keller
1975 – 1981  Max Baier
1981 – 1987  Hans Wüthrich
1987              Annemarie Hartmann

Zum Schluss nun noch einige statistischen Angaben über den Kirchenchor. Im Jubiläumsjahr 1991 gehören dem Verein 50 aktive Sängerinnen und Sänger an. Diese verteilen sich wie folgt auf die verschiedenen Stimmen: Sopran 18, Alt 15, Tenor 7 und Bass 10. Erfreulich, dass auch Jüngere den Weg in den Chor finden, zählen doch 14 Sänger(innen) weniger als 40 Jahre. Zusammen mit den rund 120 Passivmitgliedern weist der Verein also die stattliche Zahl von 170 Mitgliedern auf.

Ausgenommen in den Schulferien wird jeden Montagabend im Oberstufenschulhaus 1 1/2 bis 2 Stunden geprobt.
Das Jahresprogramm umfasst im Vereinsjahr 1991 neun öffentliche Auftritte:
– Mitwirkung am Gottesdienst am Karfreitag, am Bettag und an Weihnachten und
– zusammen mit dem katholischen Chor – am „Suppentag“
– Singen im Krankenheim Eulachtal und anlässlich unserer Vereinsreise in Ronco am Ortasee
– Mitwirkung am Friedensmahl (700-Jahr-Feier)
– Volkslieder und Theater am Unterhaltungsabend vom 6. und 9. März
– als krönender Abschluss des Jahres steht ein Adventskonzert in Elgg und Stammheim auf dem Programm

Dieses vielseitige Programm beweist, dass der Kirchenchor Elgg auch nach 75-jährigem Bestehen nichts von seiner Frische verloren hat. Gerade in unserer übertechnisierten, hektischen Zeit ist es besonders wichtig, auch etwas für Herz und Gemüt zu tun! In diesem Sinne wünschen wir alle dem Kirchenchor Elgg noch ein langes, erfolgreiches Weiterbestehen.

Sylvia Ziegler