Geschichte und Genuss am Untersee
Reiste im letzten Jahr der Kirchenchor Elgg 2 Tage nach Frankreich, ging es auch dieses
Mal ins europäische Ausland mit kulturellen Meilensteinen: Im deutschen Gaienhofen am
Untersee besuchten die Sänger das Hermann Hesse Haus und das Ortsmuseum Höri-Haus
um sich anschliessend am Schweizer Ufer kulinarisch verwöhnen zu lassen.
Am Sonntag 23. August früh wurden die Chorsänger vom beschaulichsten aller öffentlichen Verkehrsmittel
der Gemeinde, dem Postauto, mehr oder weniger vor der Haustür, an der nächsten
Haltestelle abgeholt. Im morgendlichen Sonnenlicht zog die malerische, bekannte Hügellandschaft
an den Reisenden vorbei auf der ersten Etappe über Hofstetten, Schlatt, Wallenstein nach Oberwinterthur.
Etwas abrupt wachten viele aus der Beschaulichkeit auf und stürmten aus dem Bus hinaus und
gleich wieder herein, denn es war eine Station zu früh – vor dem Bahnhof Oberwinterthur. Da nun
alle wach und präsent waren, blieb beim Umsteigen in den Zug niemand zurück, wir bestiegen den
Zug nach Stein am Rhein. Wiederum konnten wir die Sonntagmorgenidylle auf uns wirken lassen,
selbst wenn für kurze Zeit erstmals Wolken und Dunst andeuteten, dass sie auch ihren Anteil am
Tagesprogramm nehmen wollten.
In Stein am Rhein bestieg die Reisegesellschaft nach kurzem Fussmarsch am Fuss des Städtchen
das Schiff, welches zur sonnigen Fahrt nach Gaienhofen, einem Ort am deutschen Ufer des Untersee
einlud. Sonne, Kaffee und Gipfeli an Bord taten das Ihrige dazu, dass letzte müde Geister
verscheucht wurden und allenthalben angeregte Unterhaltung zu hören war. So an Leib und Geist
aufgewärmt, erfuhren wir in Gaienhofen von kundigen einheimischen Führern manches über das
Leben von deutschen Kulturschaffenden, die einen Teil ihres Lebens deutschen Ufer des Untersee
verbracht haben.
Zunächst über Hermann Hesse in dessen Haus, in welches er 1904 aus Basel nach Gaienhofen
gezogen war. Dieser Umzug war in gewisser Weise eine Flucht eines jungen Ehepaars, hat Hesse
doch gegen den Willen ihrer Familie, aber ihrer beider Liebe folgend Maria Bernoulli geheiratet.
Sie war aus betuchtem Elternhaus, wo ein Dichter nicht gern gesehen war. Hesse hatte in den
Jahren am Bodensee erste grosse Erfolge als Dichter, die Familie erhielt 3 fachen Nachwuchs –
Grund genug, dass der Kontakt zur Familie seiner Ehefrau sich normalisierte.
Es seien wohl die sesshaftesten Jahre von Hesse gewesen, schilderte die Führerin in launigem,
alemannischen Dialekt. Die schlichte Frage „Bin ich glücklich?“ hätte den Dichter nach 7 Jahren
aufbrechen lassen aus der bürgerlichen Behaglichkeit seiner jungen Familie 1911 auf eine Reise
nach Indien – seinem Wesen als Suchender folgend, als solcher Hesse wie manch anderer Dichter
und Künstler galt und gilt.
Im Höri-Haus, dem Ortsmuseum von Gaienhofen, wurden uns die Lebensgeschichten von verschiedenen
Dichtern und Malern geschildert, die zwischen 1933 und 1945, sprichwörtlich Zuflucht
und Brot fanden in der Gegend vor der Verfolgung der Nazis, die deren Bücher verbrannten und
verboten und die Bilder als „entartete Kunst“ taxierten. Die lokale Bevölkerung stand den
Kunschaffenden bei, sie konnten der Verfolgung der Nazis entgehen. Beispielhaft ist von einem
Maler überliefert, dass er für einen Sack Kartoffeln Porträts von Menschen aus den Dörfern malte.
Ein anderer Künstler malte auf Anraten eines Dorfbewohners ein „schönes Bild“, welches die
braune Obrigkeit, welche mal wieder aus der nahen Stadt Radolfzell anrückte, davon abhielt, ihn
weiter zu verfolgen weil der ja „doch malen könne“.
Die eindrücklich geschilderten Zeugnisse von Kulturgeschichte aus der ersten Hälfte des letzten
Jahrhunderts konnten wir bei Bier oder Eis im schmucken Dorf oder am See setzen lassen.
Ein Schiff wiederum brachte uns von Gaienhofen über den See nach Mammern. Dort konnten wir
in einem Garten am See verweilen und einen reichhaltigen Apéro, ein Buffett mit Salaten, Grilladen
(geliefert von einer bekannten Elgger Metzgerei) genissen. Dessert und Wein wurden uns von
Chormitgliedern gesponsert – an dieser Stelle herzlichen Dank den Spendern.
Der behagliche Aufenthalt am See wurde kurzzeitig unterbrochen von einem kleinen Regenguss,
die der zunehmend graue Himmel von sich gab. Vom Regen unbeeindruckt liessen sich einige
Sänger aber nicht entmutigen, nachher erst recht in den See schwimmen zu gehen. Der graue
Himmel unterliess es denn auch, von den Schwimmern beeindruckt, uns Ausflügler weiter zu begiessen.
Immerhin führte uns ein rund 1-stündige Verdauungsmarsch zurück nach Stein am Rhein.
Zug und Bus brachten uns zurück nach Elgg, bereichert um einen schönen Tag. Beschert hat uns
diesen gemütlichen Tag unser Vorstandsmitglied Emil Zehnder, der den Ausflug mit grossem Engagement
organisiert hat und viele gute Geister aus seiner Familie und dem Chor bewegen konnte,
zum Gelingen beizutragen. Herzlichen Dank!
Markus Rohner